Rund 5.000 Teilnehmer: Demonstration gegen Rechtsextremismus auf dem Marktplatz
In vielen deutschen Städten gab es in letzter Zeit Demonstrationen gegen Rechtsextremismus - gestern nun auch in Reutlingen. Unter dem Motto „Reutlingen zeigt Herz für unser Grundgesetz“ haben sich zahlreiche Menschen versammelt, um die Menschenrechte zu verteidigen und die Demokratie zu stärken. Aufgerufen hatte ein Reutlinger Bündnis aus verschiedenen Vertretern der Stadtgesellschaft.
So voll wie gestern Abend war der Reutlinger Marktplatz schon lange nicht mehr. Laut den Veranstaltern war es die größte Demo, die Reutlingen in den letzten 40-50 Jahren erlebt hat. Schätzungsweise 5.000 Menschen kamen zusammen, viele von ihnen mit bunten Plakaten und Fahnen. Auch Sprechchöre bildeten sich stellenweise. Gemeinsam haben sie gegen Rechtsextremismus und Remigration demonstriert.
"Der Anlass waren die Correctiv-Enthüllungen. Danach haben mich mehrere Leute angesprochen und gefragt, ob in Reutlingen eine Demo organisiert wird. Daraufhin habe ich mit verschiedenen Leuten gesprochen, die alle gemeint haben, man sollte etwas tun. Dann dachte ich mir, dann müssen wir diejenigen sein, die etwas tun", erklärt Cathy Hammer, die Mitorganisatorin der Demo.
Wir – das ist in diesem Fall ein Bündnis aus Reutlinger Bürgern; auf der Demo vertreten durch Cathy Hammer und Karsten Amann. Über 90 regionale Organisationen, Vereine, Kirchen, Gewerkschaften und Unternehmen haben sich der Initiative angeschlossen und unterstützten den Aufruf zur Demo.
"Unser Ziel ist zu zeigen, dass wir alle Reutlingen sind. Die Menschen, die hierhergekommen sind, in ihrer ganzen Bandbreite und Vielfalt, machen Reutlingen aus. Wir alle wollen aufstehen und auf die Straße gehen gegen diejenigen, die die Menschenrechte und die Demokratie angreifen. Unser Ziel ist aber auch, dass wir die Menschen erreichen, die noch zweifeln, um sie vom Wert der Demokratie und der Menschenrechte zu überzeugen", so Dr. Karsten Amann, ebenfalls Mitorganisator der Demo.
Auf einer kleinen Bühne gab es verschiedene Redebeiträge. Den Anfang machte Pfarrer Joachim Rückle. Er setzte sich gegen Rechtsextremismus und für ein friedliches Miteinander ein: "Wir haben letztes Jahr im Dezember das Bündnis für Menschenrechte gegründet, weil wir verdeutlichen wollen, in welcher Gesellschaft wir leben möchten: in einer, wo Demokratie und Menschenrechte gelebt werden. Gerade in den Bereichen Asyl und Flucht sehen wir aber leider schon Entwicklungen, die uns Sorgen bereiten".
Danach folgten Beiträge von Dusan Vesenjak vom Integrationsrat, Mai Schäffer vom franz.K und Hugo Berger von der gleichnamigen Bio-Bäckerei. Auch Oberbürgermeister Thomas Keck richtete sich an die Bürger. In seiner Rede fand er deutliche Worte gegen den Rechtsextremismus und machte sich stark für die Demokratie und das Grundgesetz.
"Ich muss sagen, ich habe ein bisschen mit der Fassung gerungen. Ich bin jetzt 60 Jahre alt, Reutlingen ist meine Heimatstadt und ich habe noch nie so eine Menschenmasse in dieser Stadt gesehen, das ist wirklich unglaublich. Ich bin einfach glücklich darüber, dass offensichtlich etwas in dieser Gesellschaft in Bewegung gekommen ist, und zwar nicht nur in Reutlingen", zeigte sich Keck berührt.
Auch andere Regionalpolitiker sind zur Demonstration gekommen, um sich klar gegen den Rechtsextremismus zu positionieren:
"Es ist wichtig, auf die Straße zu gehen, weil es wichtig ist, für unsere Grundrechte und unsere bunte und vielfältige Gesellschaft einzutreten. In unseren Parlamenten gibt es keinen Platz für die Feinde der Demokratie, für die Feinde unserer Freiheiten und Grundrechte. Deswegen dürfen wir denen auch nicht die Straße überlassen", so Landrat Dr. Ulrich Fiedler.
Ähnlich sieht das auch die Reutlinger Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke von den Grünen: "Das sind rechtsextreme Kräfte und im Übrigen auch Verfassungsfeinde, weil sonst könnte man nicht laut sagen, dass man Menschen mit einem deutschen Pass ausweisen will, nur weil sie einen Migrationshintergrund haben. Das ist eine unsägliche Entwicklung."
Zum Abschluss haben die Teilnehmer gemeinsam alle sieben Strophen des Liedes „We Shall Overcome" gesungen. Außerdem haben alle mit den Lichtern ihrer Smartphones geleuchtet und so ein Lichtermeer entstehen lassen, das den Marktplatz erstrahlen ließ - ein optisches Signal gegen den Rechtsextremismus.